Rechtsfolgen des Wechsels vom Ausbildungs- in ein Festanstellungsverhältnis

Nicht erst seit dem in Deutschland stetig wachsenden Fachkräftemangel übernehmen immer mehr Arbeitgeber ihre eigenen Auszubildende (sog. Azubis) im Anschluss an die Ausbildungszeit fest in ihr Unternehmen. Damit einher gehen verschiedene rechtliche Fragen, die nachstehend, überblicksmäßig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammengefasst werden sollen.

1./ Resturlaub bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses

Zunächst stellt sich vielen Azubis nach dem Abschluss ihres Ausbildungsverhältnisses die Frage:

Was passiert nach Abschluss der Ausbildung mit noch offenen Urlaubstagen?

Hier lässt sich grundlegend festhalten, dass gern. § 10 Abs. 2 BBiG auf den Berufsausbildungsvertrag die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden sind, soweit sich nicht dem Wesen oder Zweck des Ausbildungsvertrages oder aus dem Berufsbildungsgesetz anderes ergibt.

Demnach gilt auch für Auszubildende die Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG, wonach der Urlaub abzugelten ist, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Zu beachten ist jedoch, dass für den Fall, dass der vormalige Auszubildende von seinem Ausbildungsbetrieb anschließend übernommen wird und eine Festanstellung erhält, keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Durch die Übernahme des Azubis erhält dieser zwar einen neuen Arbeitsvertrag mit angepassten Bedingungen, jedoch bei dem selben Arbeitgeber. Insoweit wird der Urlaubsanspruch des vorherigen Auszubildenden ebenfalls “übernommen” und wird nach den allgemeinen Grundsätzen weiter geführt.

 

2./ Abgeltung von Überstunden bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses

Ein weiterer spannender Themenkomplex ist die Frage der Abgeltung von angesammelten Überstunden eines Auszubildenden, wenn dieser nach bestandener Prüfung seitens des Unternehmens übernommen wird.

Auszubildende haben grundsätzlich gem. § 17 Abs. 3 BBiG einen Anspruch darauf, dass eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders vergütet oder durch entsprechende Freizeit ausgeglichen wird. Insoweit gilt nichts anderes wenn der Auszubildende aufgrund einer Übernahme in ein Festanstellungsverhältnis wechselt. Ein Verlust der angesammelten Überstunden ist damit nicht verbunden.

Aber Vorsicht! Wichtig für den Auszubildenden -wie auch sonst für Arbeitnehmer- ist es, dass er sich notiert und bestenfalls gegenzeichnen lässt welche Überstunden er wann geleistet hat. Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat der Arbeitnehmer nämlich im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat (BAG, Urt. v. 25.05.05 – 5 AZR 319/04).

Darüber hinaus ist bei der Höhe der Vergütung von angesammelten Überstunden zu differenzieren. Es kommt darauf an, ob die geleistete Mehrarbeit als Teil der Ausbildung zu beurteilen ist oder nicht. Diesbezüglich hat beispielsweise das Sächsische Landesarbeitsgericht bei einem Auszubildenden zum Koch entschieden, dass dieser während der Überstunden, in denen er mit dem Zubereiten von Speisen und dem Zubereiten von kalten Büffets beschäftigt war, die Mehrarbeit auf Basis der Ausbildungsvergütung abzugelten ist. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass dann, wenn dem Auszubildenden Arbeiten übertragen werden, die in keinem Sachzusammenhang mit der Ausbildung stehen, sondern lediglich einen zusätzlichen Beschäftigungsbedarf im Betrieb abdecken sollen, anderes gelten kann (Urt. v. 16.01.2008 – 9 Sa 269/07).

Entsprechend hat beispielsweise das Arbeitsgericht Rheine entschieden, dass die Beauftragung mit der Wochenendfütterung in der Landwirtschaft für einen Auszubildenden der Landwirtschaft nicht zum Ausbildungsverhältnis gehört und damit gem. § 612 Abs. 2 BGB mit der für die gewerblichen Arbeitnehmer tariflich vorgesehenen Vergütung zu bezahlen ist (AG Rheine, Urt. v. 13.11.1991 – 2 Ca 134/91)

Folglich ist genau zu überlegen und bestenfalls zu dokumentieren, welche Tätigkeiten zu welchen Überstunden geführt haben.

 

3./ Entgeltfortzahlung und Kündigungsschutz nach der Ausbildung

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer rechtlich spannender Fragen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses und einem Wechsel in ein Festanstellungsverhältnis. Dazu gehören Fragen wie

  • Ist die Vereinbarung einer erneuten Probezeit für einen ehemaligen Auszubildenden zulässig?
  • Genießt ein Auszubildender nach der Übernahme unmittelbar den vollen Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers?
  • Darf ein ehemaliger Auszubildender erneut befristet angestellt werden?
  • Was geschieht bei einem Wechsel in ein Festanstellungsverhältnis mit dem Entgeltfortzahlungsanspruch?

Die Vielzahl der unterschiedlichen Möglichkeiten der individuellen Fallkonstellationen machen für die Beantwortung der Fragen eine individuelle Fallanalyse und Beratung erforderlich.

 

 

 

 

 

 

 

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